Mittagsschlaf. Endlich. Am liebsten würde ich neben meinem Kind liegenbleiben. Die Nacht war kurz, der Vormittag lang. Ich bin erschöpft.
Trotzdem schäle ich mich aus dem Laken, schleiche aus dem Schlafzimmer und greife nach meinem Notebook. Ich muss schreiben! So viele halbfertige Manuskripte in meinen Ordnern.
Also los jetzt! Ich hocke vor dem Bildschirm, öffne mehrere Dokumente gleichzeitig, versuche etwas zustande zu bringen, stolpere über Selbstzweifel und Kritik, bringe keinen geraden Satz zustande. Und dann meldet sich das Babyphone. Der Kleine schluchzt. Ich bin gefragt. Zurück ins Bett. Nix geschafft.
„Hallo liebe Esther. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Ich wünsche dir alles Gute und mehr Kinder.“ Mein Vater gratuliert mir zum Geburtstag und meint es gut. Trotzdem rolle ich mit den Augen. Da ist wieder dieses Thema, das auch sonst immer wieder aufkommt: „Ihr wollt ja wohl kein Einzelkind großziehen! Wenn ihr zwei habt, können die sich miteinander beschäftigen!“ Und ich nicke dann und sage: „ja“ und meine es manchmal auch so, manchmal aber auch nicht.
Das erste Mal Ausgehen ohne Baby. Menschen, so vielen Menschen! Wir müssen uns durch sie hindurch zwängen, um zu den Toiletten zu gelangen. Wenige tragen Maske. Am Einlass wurde nicht mal der Impfstatus kontrolliert und ich fühle mich wie 2019. Maske an oder Maske aus? Ich weiß nicht was ich tun soll. Mit der Maske bin ich mittlerweile vertraut, fühle mich wie Sheherazade aus 1001 Nacht. Ich mag es, wenn man mein Gesicht nicht vollständig sieht, habe Gefallen daran gefunden, in der Öffentlichkeit unbemerkt Grimassen zu schneiden und meinem Resting Bitchface freien Lauf zu lassen. Also behalte ich meine Maske an, nur um sie im stickigen Konzertsaal wieder unters Kinn zu schieben, um besser atmen zu können.
„Nie werde ich so eine Mutter sein, die ständig am Handy hängt vor ihrem Baby! Und der Fernseher wird auch nicht laufen! Bücher, Bücher, Bücher und zwar von ganz klein auf!“
Ich höre mein kinderloses Ich noch große Tone spucken. Ach, Kindererziehung ist doch am einfachsten, wenn man keine Kinder hat. In Wahrheit sieht es – bei mir zumindest – ganz anders aus. Ja, ich bin süchtig und zwar nach meinem Handy und ich hänge dran, sogar jetzt in diesem Moment, wo ich diesen Blogeintrag schreibe. Um 04:04 in der Nacht, im Dunkeln während mein Baby neben mir schlummert und ich mal wieder nicht schlafen kann. Noch nicht mal das Nachtlicht habe ich eingeschaltet und tue meinen Augen keinen Gefallen damit.
„Das geht alles viel zu langsam! Wann läuft er denn endlich?“ „Hast du Hunger, Kleiner? Bei Mama gibt’s ja nix Vernünftiges außer wässrige Milch! Gib ihm mal einen Kinderriegel!“ „Du willst einkaufen gehen? Lass das Baby doch einfach hier!“ „Bald bleibst du den ganzen Tag bei uns, Kleiner!“ „Bald übernachtest du hier!“ „Warum seid ihr zu spät? Das Baby hat zu lange geschlafen? Der muss sich doch mal an unsere Zeiten gewöhnen?“
Dass ich mit der Geburt meines Sohnes auch einen ganzen Haufen gut gemeinter, jedoch unerfragter Ratschläge in Sachen Kindererziehung erhalten würde, war mir von vorne herein klar.
„Da schläft einer den Schlaf der Gerechten!“, sagt die Kassiererin im Drogeriemarkt zu der Frau vor mir in der Schlange. Sie hat ein schlafendes Baby in der Trage, ganz klein ist es noch und seine Mama sieht müde aus, das kann ich trotz Maske erkennen. Schatten unter den Augen und nicht viel übrig für den Spruch der Verkäuferin. Die Mama kauft drei Packungen Windeln, Größe 1. Wehmütig denke ich daran zurück, als mein Babymann diese kleinen Windelchen getragen hat und sie ihm trotzdem noch zu groß waren. Ewig würde es dauern bis er da raus wächst, dachte ich „damals“ – vor fünf Monaten. Mittlerweile trägt mein Sohn Windelgröße 3 und nach ersten Stillschwierigkeiten im Wochenbett fange ich mittlerweile an, ihm neben der Brust auch erste Lebensmittel zum Probieren anzubieten. Pürierte Avocado, Smoothie, Gurke, Banane, Apfel. Wir tasten und ganz langsam und chillig an die Beikost ran und bis jetzt scheint ihm auch alles zu schmecken, was er so mit seinem Mund erkundet. An die Brust will er danach aber trotzdem immer wieder und irgendwie macht mein Herz dann einen kleinen Freudenhüpfer, denn: sie werden ja so schnell groß. Erst jetzt als Mutter fühle ich diese Aussage so richtig.
Ich versuche meine Elternzeit also so gut es geht zu genießen, es läuft gut zwischen dem kleinen Mann und mir und seinem Papa, wir haben viel Freude. Nachts schläft er sogar recht gut. Zwar nicht in seinem eigenen Bett, sondern nach wie vor bei mir mit auf der Matratze, aber auch das ist okay für mich. Ich genieße es mit ihm zu kuscheln und auch die Kommentare der Verwandtschaft darüber, dass wir ihn nie mehr aus unserem Bett bekommen, prallen mittlerweile an mir ab.
Und trotzdem bin ich müde, liege nachts wach und kann nicht schlafen.
Am Aschermittwoch waren wir das letzte Mal im Kino mit meinem Schwiegervater, Jojo Rabbit gucken. Das ist ungefähr sieben Wochen her und ich erinnere mich noch daran wie ich mir eine viel zu große Portion Popcorn bestellte, einfach aus Prinzip, weil ich mich schon den ganzen Tag darauf gefreut hatte und Kino ohne Popcorn einfach nur halb so viel Spaß macht.
Dezember 2019. In China infizieren sich immer mehr Menschen mit dem neuartigen Coronavirus. Ich sitze im REWE to Go im Nürnberger Hauptbahnhof und trinke Cappuccino aus einem Pappbecher mit Plastikdeckel. Shame on me…
Mein SIESTA YOGA Kursangebot findet zurzeit ja nicht statt. Das hat diverse Gründe. Unter anderem widme ich 2019 den diversen Schreibprojekten, an denen ich arbeite. Da bleibt kein Raum und keine Energie für einen wöchentlichen Yoga-Kurs übrig.